Als im Jahr 2016 - direkt nach dem Ausbau der Windkraft im Harthäuser Wald 2015 - erste Erdkröten auffielen, die einen Befall der Krötengoldfliege Lucilia bufonivora aufwiesen, waren wir höchst alarmiert - immerhin kann die zu den Schmeißfliegen gehörende Art, die ihre Eipakete auf lebenden Amphibien (vor allem Kröten) ablegt, und deren Maden durch die Nase einwandern um die Tiere bei lebendigem Leib von innen aufzufressen - bei guten Lebensraumbedingungen ganze Populationen auslöschen oder stark dezimieren (Buschmann et al, 2016).
Mit dem Ausbau der Windkraft wurden die Waldwege verbreitert, die Kronendächer aufgerissen, Waldflächen gerodet, Drainagen gelegt und an den Kranstell - und Kranauslegerflächen Wildblumen gesät. In der Folge veränderten sich das Mikroklima und die Vegetation im Wald erheblich: für Insekten und mithin die Krötengoldfliege entstand ein idealer, sonnig - warmer Lebensraum inmitten des Sommerlebensraums der Erdkröten, für die sich die Bedingungen nun deutlich verschlechtert hatten.
Im Jahr 2016 wurden 4 befallene Erdkröten gefunden; die Fundzahlen stiegen seitdem jährlich bis auf 91 im Jahr 2022 an. Aus keinem anderen Gebiet Baden Württembergs sind derart hohe Befallszahlen bekannt. Weil vor 2016 trotz täglicher Spaziergänge mit den Hunden im Wald kein Befall aufgefallen war, und die Zahlen ab 2016 kontinuierlich anstiegen (und nicht bereits 2016 auch nur annähernd so hoch waren wie jetzt), gehen wir davon aus, dass die veränderten Bedingungen durch die Waldumgestaltung für den Ausbruch des Krötengoldfliegenbefalls ursächlich ist und tatsächlich 2016 seinen Anfang nahm.
Wir begannen mit der Erfassung der befallenen Tiere mittels Linientransekt über ca. 20 km. Die Daten aus zwischenzeitlich 7 Jahren wurden zum Jahresende an PD Dr. Alexander Kupfer, Leiter der herpetologischen Abteilung des Naturkundemusems Stuttgart, übermittelt. Es handelt sich inzwischen um die europaweit größte, zusammenhängende Datensammlug zu diesem Thema.
Von der Krötengoldfliege befallene Erdkröten suchen frühzeitg Gewässer auf; bereits lange vor erkennbarem Befall weisen sie ein ausgesprochen schlechtes Allgemeinbefinden auf und sind schlapp und wehrlos. An den Tümpeln werden sie auch von Waschbären gefunden; diese können sie einfach abpflücken und fressen. Dabei bleiben die Häute und Köpfe der Erdkröten übrig; addiert man diese Funde zu den Fundtieren, erhöht sich die Anzahl tatsächlich befallener Erdkröten nochmals. Zudem muss man von einer hohen Dunkelziffer ausgehen, da das Linientransekt nur einen kleinen Teil des Gesamtwaldes abdeckt (geschätzt etwa 15 %).
Am 24.01.2023 besuchte Dr. Alexander Kupfer den Harthäuser Wald, um sich einen Eindruck des hiesigen Erdkrötenhabitates zu verschaffen, und um zu sehen, weshalb gerade hier ein solch massiver Hotspot des Krötengoldfliegenbefalls entstanden ist. Außerdem wollte er einen Feuersalamander beproben, bei dem dringender Verdacht auf die „Salamanderpest“ besteht.
Wir begingen die beiden Laichgewässer Herbert Bopp See und Schönbrunnenweiher, sowie verschiedene Gewanne im Wald, wo in der Vergangenheit viele befallene Erdkröten gefunden wurden.
Trotz der Begehung im Winterhalbjahr war für Dr. Alexander Kupfer die veränderte Habitatstruktur (Offenlandhabitat im Wald, dem Sommerlebensraum der Erdkröten) mit starker Wärmeentwicklung im Sommer deutlich erkennbar. Die Ansiedelung von Lucilia bufonivora überraschte ihn hier somit nicht.
Er zeigte sich schockiert von den veränderten Strukturen, dem massiven Lebensraumverlust infolge der Rodungen und Folgeschäden wie Sonnenbrand, Windwurf und Borkenkäfer, die weitere Flächenverluste mit sich bringen, sowie vom massiven Holzeinschlag mit dem Verlust wertvoller älterer Bäume und daraus folgender Destabilisierung der ohnehin vorgeschädigten Waldgemeinschaft.
Laut der Untersuchungen des Naturkundemuseums Stuttgart sind unsere Erdkröten des Jahrgangs 2021 (einem sehr verregneten und somit für die Amphibien günstigen Jahr) - verglichen mit den Untersuchungen von Weddeling, [NRW, 2002] in sehr schlechter Konstitution, obwohl sie wesentlich größer waren als die Tiere in NRW.
Das Risiko der Gefährdung der Amphibien auf Populationsebene, die eigentlich keine Konflikarten bei Windkraftprojekten darstellen sollten, muss beim Windkraftausbau im Wald - den wir aus ökologischer Sicht für unvertretbar halten - eingepreist und die Ausbildung von Offenlandhabitaten - auch wegen der Anlockwirkung der Insekten und mithin der Fledermäuse an die Anlagen - im Wald dringend vermieden werden.
Literatur
Verbreitung, Biologie und Schutz der Erdkröte, DGHT 2016